1925-1950
Es waren bewegte und schwere Jahre, welche die Verbindung durch den Krieg und das dritte Reich führten. Verschiedene Schreiber berichteten hiervon in der Festschrift zum 50jährigen Bestehen...
 
Aus dem Leben der Verbindung von 1925 bis 1950
Auszug aus der Festschrift zum 50. Jubiläum

"Rhenofrankonia vivat, crescat, floreat!" Wie oft schon haben wir uns diese Worte mit echter Begeisterung zugerufen.  In den verflossenen Jahren aber mußte dieser Ruf oft mit besonderer Inbrunst, ja man möchte sagen, als Kampfruf in die Zeit hinausgerufen worden.  Und wenn wir heute dankbar zu den Gründern der Rhenofrankonia hinaufschauen, so nicht weniger dankbar zu denjenigen, die in schwerer Zeit das Band der amicitia, festgehalten haben, damit auch heute wieder der Freudenruf erschallen kann: Rhenofrankonia vivat, crescat, floreat!  Doch die Alten Herren mögen selber berichten.

Von dem neuen Aufblühen der Aktivitas in den Nachkriegsjahren des ersten Weltkrieges gibt uns E. Strott ein vielseitiges Bild:
Das Jahr 1925 rechnete noch zu den Nachkriegsjahren.  Soeben richtete sich das Wirtschaftsleben nach den Schlägen der Inflation wieder auf.  In diesem Jahr fanden wir als Füchse zu Rhenofrankonia.  Die 8 Semester bis Ostern 1929 waren geprägt von unseren Bemühungen, "Altstudententum" und Jugendbewegung in Einklang zu bringen.  Dafür wurden viele geistige Kräfte eingesetzt und auch verzettelt.  Ob das Ziel erreicht wurde?  Und ob es überhaupt zu erreichen war?  Jedenfalls litt Rhenofrankonia damals sehr darunter.  Es gab sehr hitzige Konvente, und manche auch größere Veranstaltung brachte infolge der dauernden Auseinandersetzungen nicht den Schwung und die Begeisterung, der sonst junge Menschen fähig sind, die unbesorgter lebten.  In den Jahren 1925-27 war der Fuchsenstall sehr klein, dann aber wuchs er stetig.  Die Krise war überwunden.  Im ganzen gesehen waren wir bei Mutter Rhenofrankonia geborgen. 1927 weihte A. H. Scheifen in der Bonner Marienkirche die erste Fahne, und wenige Semester später chargierten wir in eigener Vollwichs.
Groß und unvergeßlich war für uns muli die Jahrtausendfeier der Rheinlande, wie überhaupt die 8 Semester von vielen großen und großartigen Feiern ausgefüllt waren. 1927 besuchte der jetzige Papst  die Grundsteinlegung des Bensberger Priesterseminar, die Bonner Theologenkonvikte und hinterließ bei den Menschen einen unverwischbaren Eindruck der geheimnisvollen Macht seiner Persönlichkeit auch nach nur kurzer Begegnung. Wir Rheno-frankonen erhielten in unsere jungen Herzen viele neue Anregungen und Eindrücke durch solche großen Feierlichkeiten.  Sie wirkten auch auf unsere studentischen Veranstaltungen, und wir versuchten, die Forderungen der Zeit zu erkennen, zu erfüllen und mit dem späteren Beruf zu verbinden.
Für den jungen Theologen wird ja immer die Religio das Primäre und das Tiefste bleiben. Damals sprach man noch viel von liturgischer "Bewegung".  Die damals aufkommende "Gruppenbildung" besonders in den Jugendvereinen - heute selbstverständlich - interessierte uns sehr stark.
Die Scientia sog uns ganz auf.  Professoren wie Rademacher (1873-1939), Tillmann (1874-1953), Vogels zogen uns in ihren Bann.  Die Exkommunikation Jos.  Wittigs  und die Indizierung seiner vielgelesenen Bücher machte unter uns Freunde zu Feinden und umgekehrt.  Die Konversion Erik Petersons  von der evangelisch-theologischen Fakultät war in der Entwicklung und für uns bereits selbstverständlich.  Unser A.H. Universitätsprofessor Dr. Aloys Müller gab uns manch wertvollen Fingerzeig und eine Ausrichtung für philosophisches Erfassen und Denken.  Sein gastliches Haus stand uns immer offen.  Die wissenschaftliche Arbeit manches Bundesbruders, der vor der Promotion stand, war uns Stolz und Freude.  Die theologische Literatur, die wissenschaftlichen Zeitschriften und die damals so stark werdende katholische Romanliteratur fand bei uns eifrige Leser.
Mir steht auch noch mancher liebe Freund in der Erinnerung, der glaubte, der Theologie Ade sagen zu müssen.  Ganze Nächte sprachen wir zusammen und suchten leidend nach Klarheit, und heute, stehen diese Leute doch als Theologen an führender Stelle.  Wir lernten erfassen, wie wunderbar Gottes Wege sind, aber auch wie geheimnisvoll! Scientia hominis und scientia Dei!
Die Amicitia bleibt uns allen das Liebste und Schönste.  Wieviel freundschaftliche Bande zwischen späteren Priestern und Laien wurden damals geknüpft!  Menschenkenntnis und ihre Enttäuschungen formten uns und gaben uns Erfahrungen für das spätere Leben.
Und das alles unter den satten Farben violett, gold, rot!  Rhenofrankonia bleibt uns die liebe und getreue Mutter.  Sie hat damals in uns das wachsen und reifen lassen, was in den ersten Jahren unseres Priestertums an Zeugenschaft und Bekennermut als Früchte von uns gefordert wurde.

Dieser glänzende Aufstieg unserer Vereinigung sollte jedoch schon bald auf die ersten Schwierigkeiten stoßen, wie uns W. Meuser in einem anschaulichen Bericht mitteilt:
Dem Auge der Erinnerung bieten sich bunte und wechselnde Bilder.  Im Jahre 1933 unter vielen Bewegungen auch Aufläufe der "neuen Jugend" um lodernde Flammen aus Scheiterhaufen von bunten Mützen, Stürmern und Bändern von Studenten (von denen viele kurz zuvor noch diese Zeichen ihrer Korporationen stolz über dem braunen Hemd der SA getragen hatten, um in trotzigen Aufzügen die "Rote Front" von der Straße zu schlagen) - gleichzeitig im Gegenzug ein letztes Aufleuchten alter Burschenherrlichkeit, indem selbst älteste Professoren noch plenis coloribus zu ihren Kollegs erscheinen.  Das war der symbolische Abschluß unserer Studentenjahre, zugleich aber auch das Ende eines Kapitels in der Geschichte Rhenofrankoniae, das man vielleicht mehr als andere Jahre die Studentenzeit des Bundes nennen darf: Die Zeit der farbenfrohen Kneipen und der Vollwichs, die Zeit, die sogar einmal nahe daran schien, uns "gleichberechtigt" neben die öffentlichen Stadtkorporationen zu stellen.  Auch das verdankten wir dem Führer!, noch ehe er "Führer" war.
Wie das vor sieh ging? - Heute noch erinnere ich mich des sonnendurchleuchteten Nachmittags am 10.  Juli 1929 im großen Festsaal bei Espay mit seinem Blick auf den strömenden Fluß wie das ragende Münster drüben und das für Theologenaugen nicht minder ragende Albertinum; im Saale selbst unter dem Gewoge der Theologen die bunten Mützen der katholischen Korporationen, das festliche Schwarz der Professoren; freilich fehlte der jugendliche Schillerkragen der Edlen, die den Schild ihrer Ehre rein zu halten wissen von der Befleckung „solcher Gelage und überholter Studentenromantik"; ihr Fehlen wird jedoch im Augenblick weniger vermerkt, das Auge richtet sich mehr auf die abwartend prüfenden Mienen der Konviktsdirektoren: ob die Probe gelingt, nämlich das fait accompli eines rauschenden Einzuges von fast dreißig Chargierten mit der glänzend neuen Vollwichs in den Farben der einzelnen Theologenbünde? - Diese Demonstration hatte einige Diskussionen und Kämpfe auf dem Senioren-Konvent des Vereins katholischer Theologen gekostet, zuletzt den Austritt der Aurelen.  Was würde nun besonders Theologenvater Serres sagen?  Scheinbar jedoch ging alles programmgemäß und gut; unter reger Anteilnahme von Professoren und Repetenten nahm der Abend (sogar nach offiziöser Verlängerung) einen festlichen und frohen Verlauf, der jeder Studentenverbindung Ehre machen konnte.
Ehrgeizige Köpfe konnten ihn als gelungenen Start zu größeren Unternehmen betrachten: auf dem Weg der Theologenvereinigungen in die Öffentlichkeit der Universität und in die volle Gleichberechtigung der  e i n z e 1 n e n  Bünde (nicht nur des Vereins katholischer Theologen als Gesamtheit) neben den anderen anerkannten Korporationen mit Sitz und Stimme auch in der V.V. (Vertreter-Versammlung).  Die politische Situation schien danach zu verlangen.  Ein Gegengewicht gegen die zahlreich werdenden Verbindungen national-sozialistischer Gesinnung war sehr erwünscht zur Stärkung der demokratischen Richtung, die fast nur noch in katholischen Bünden Stütze fand. Jedenfalls waren dem Universitätskurator solche Bemühungen einzelner Theologen hochwillkommen; Besprechungen mit den Senioren und Philister-Senioren gingen seinem entscheidenden Schritt voraus: einer Petition bei Eminenz, die (im Trubel des Semesterschlusses mit all seinen Prüfüngen im Winter 1929/30 gegen lebhaften Widerstand - 4:5 - und halbwegs hinter dem Rücken der einzelnen Theologenvereinigungen durchgeführt) mit einem denkbar vollständigen Mißerfolg endete und den einzelnen "Theologen-Kränzchen" ein recht eindeutiges und energisches Antwortschreiben der umgangenen Konvikts-direktoren einbrachte, das auch die "Überstudentischen" recht schnell auf den Boden ihrer theologischen Existenz zurückführte.
Für Rhenofrankonia brachte diese Entwicklung keine Enttäuschung.  Was das Schreiben der Konviktdirektoren angeht, so sagt der Senioren-Bericht auf der G.V. 1930, "und die darin angekündigten Änderungen für das kommende W.S., so muß man selbst bei pessimistischer Betrachtung betonen, daß etwaige unklare Befürchtungen für den Th. und damit auch Rhenofrankonia unberechtigt sind; denn unserem inneren Wesen nach sind wir weder mehr noch auch weniger als ein Freundschaftsbund katholischer Theologen, der unser ganzes Leben dauert; und dies wird man in keiner Weise und von keiner maßgebenden Seite ändern können noch überhaupt wollen."
Unser Frohsinn verlangte nach keiner weiteren Anerkennung durch Universität oder studentische Öffentlichkeit; in den Konvikten förderten wir die neu aufkommende und betonte Semester- und Hausgemeinschaft, suchten und fanden herzliche persönliche Beziehungen zu anderen Gruppen und Richtungen; kannten stramme, kommentmaßige Kneipen und noch mehr fröhliche Ausflüge in die Gegend - so gut wie jeden Mittwoch und Sonntag - und wollten den Sport nicht verkümmern lassen; besonders auch unsere Bu-C.'s (Budenkonvente) waren lebhaft und gemütlich, in häufigen Fällen mit Überschreitung der "Polizeistunde" (besonders wenn Lord seine begeisterten Ansprachen hielt)" und selten dagegen mit anhängendem Protokoll; im übrigen wurde ganz eifrig studiert und dem Problematisieren kein Übermaß gegönnt.
Domäne unseres Nachwuchses war besonders Düsseldorf; hinzu kamen eine große Zahl Kölner, denen die Colonia zu "wässerig" war, und andere, die wir u. U. den mehr lokal gebundenen Assinden, Wipperen, Alkuinen, Montanen, Selfkanten, Guelfen usw. wegfischten. Besondere Konkurrenz verband uns mit den ähnlich "überlokalen" Burgunden und in einer anderen Weise mit den Neudeutschen, die gerade damals sich ihrem Pater Esch zu entziehen begannen und von Forderungen wie Rauchverbot u. a. eifrig abgingen. Die Zahl unserer Aktiven bewegte sich um dreißig und war gerade recht; mit der Rezeption von 12 Neufüchsen, z.B. im S.S. 30, hatten wir zwar die anderen Bündnisse alle überflügelt, aber zugleich eigentlich auch die günstigste Nachwuchszahl für ein Jahr ein wenig überschritten; allerdings waren es ja auch Jahre eines reichen Theologensegens, so daß bald ein numerus clausus auch für Theologen eingerichtet wurde (eine Notwendigkeit, von der uns dann zwar das Dritte Reich bald befreite).
Außer unserer theologischen Haltung und Form hatten wir als Verbindung nicht den Ehrgeiz einer besonderen "geistigen Linie", die uns von anderen besonders hätte absetzen sollen; und das kam unserem menschlichen Verhältnis - glaube ich - sehr zustatten; wir waren Weggefährten und Freunde und sind es geblieben und freuen uns nun aller jungen Freunde, die uns nicht alt werden lassen.

Über die zunehmenden Widerstände im Dritten Reich und die schwere Krisenzeit unserer Verbindung konnte uns  A.H. Haaß wertvolle Einzelheiten berichten:
Auf der G.V. in Köln am 29. September 1937 wurde der Entwurf einer neuen Satzung vorgelegt, ein Zeichen, daß man genötigt war, den veränderten Zeitverhältnissen Rechnung zu tragen.  Inzwischen machte sich der Druck der Gestapo auf die studentischen Verbindungen im allgemeinen und auf den kirchlichen Sektor im besonderen immer stärker bemerkbar, so daß der damalige Erzbischof Karl Josef Kardinal Schulte, um Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, die Theologenverbindungen aufhob.  Man faßte zwar diese Anordnung allgemein so auf, daß damit nicht auch die Aufhebung der Altherrengemeinschaften ausgesprochen war, aber die Lage wurde jedenfalls für die Aktivitas sehr schwierig.  In Erkenntnis dessen beschloß die Generalversammlung, die am 5. Oktober 1938 im Karl-Joseph-Haus in Köln tagte, Rhenofrankonia aufzuheben.  An ihre Stelle trat die religiöse Arbeitsgemeinchaft St. Canisius.  Alles, was an eine Studentenverbindung erinnerte, sollte in Wegfall kommen.  Um das Vermögen vor einem Zugriff der Gestapo zu sichern, wurde der Studienfond (3300,- an Forderungen - ausstehende Darlehen - und 400,- in bar) dem Erzbischöflichen Stuhl übertragen (Vertrag vom 3. November 1938), wobei das Verfügungsrecht einigen näher benannten A.H.A.H. vorbehalten wurde.  Der so geschaffene St.-Canisius-Fond sollte zur Unterstützung bedürftiger Priester und Priesteramtskandidaten der Erzdiözese Köln und der Diözese Aachen dienen.  Im Dezember 1938 kamen die neuen Statuten der religiösen Arbeitsgemeinschaft St. Canisius heraus. So hatten wir uns nach besten Kräften bemüht, unseren Freundschaftsbund über die kommenden schweren Jahre hinaus zu erhalten, und es gelang.  Im Herbst 1939 fand wegen des Kriegsausbruchs keine jährliche Zusammenkunft (G.V.) statt.  Aber im Jahre 1940 trafen wir uns am 24. Juli in Düsseldorf (Pfarrheim St. Peter).  Aus den Reihen der Studenten wurden Vorschläge gemacht, die eine weitgehende Umstellung des inneren Lebens der Verbindung zum Ziele hatten.  Aber die Pars sanior war schließlich doch der Meinung, man solle wenigstens warten, bis die Kriegsteilnehmer zurückgekehrt seien.
Die letzte Jahresversammlung während des Krieges fand am 24.  September 1941 in Köln statt.  Es waren ungefähr 60 Bundesbrüder erschienen ein schönes Zeichen für den Zusammenhalt unseres Bundes. In den folgenden Kriegsjahren waren keine größeren Veranstaltungen mehr möglich. Wohl war der Philistervorstand dauernd bemüht, die Verbindung zwischen Front und Heimat und die Verbindung mit den A.H.A.H. durch regelmäßige Mitteilungen aufrechtzuerhalten. Beurlaubungen einzelner Kriegsteilnehmer für ein Studienjahr waren ebenfalls Anlaß, frühere Verbindungen wieder enger zu knüpfen. Es war für uns alle eine große Freude, als am 1. Mai 1942 unser lb.  Bbr.  Dr. Josef Frings, bis dahin Regens des Priesterseminars, zum Erzbischof von Köln erhoben wurde.  Noch mehr fühlten auch wir alle uns mitgeehrt, als dem Genannten am 18.  Februar 1946 die Würde des Kardinals verliehen wurde. Diesmal konnten wir, anders wie 1942, unsere Glück- und Segenswünsche wieder unter dem alten, ehrlichen Namen: der Rhenofrankonia aussprechen. Es dauerte allerdings einige Zeit, ehe Rhenofrankonia nach dem ungeheueren Zusammenbruch 1945 zu neuem Leben erwachte.

Wie sich die Auflösung der Rhenofrankonia im Konvikt auswirkte, zeigt uns E. Lieberz:
Ich war in Bonn in der Zeit von 1936-1940, unterbrochen durch ein halbes Jahr Arbeitsdienst.  Es war die Zeit, in der alles studentische Leben in der althergebrachten Form mehr und mehr zurückgedrängt, zum Teil sogar verboten war. Obwohl die Theologenverbindungen damals nicht direkt unterdrückt wurden, glaubte die Konviktsleitung damals vorbeugen zu müssen und löste alle damaligen Verbindungen auf, die dann allerdings unter anderen Namen, meist unter irgendeinem Heiligennamen, weiterlebten.  So auch mit unserer Vereinigung, die sich damals St.-Canisius-Arbeitsgemeinschaft nannte.  Tatsächlich hat unsere Innung damals auch den Versuch gemacht, den Charakter der religiösen Arbeitsgemeinschaft mehr zu betonen, ohne dass dadurch etwas von amicitia und üblichen Veranstaltungen zu kurz gekommen wäre.  Vorallem A.H. Müller aus Buschdorf, der damals "erwerbslos" war, da ein Geistlicher keine nichttheologischen Vorlesungen halten durfte, kam damals regelmäßig zu uns.  Jedenfalls hat unsere Vereinigung sich nicht kleinkriegen lassen, wenn sie auch ihren Namen ändern mußte. Andererseits spürten wir doch auch in unseren eigenen Reihen, daß eine andere Zeit gekommen war. Zwar hielt man noch vielfach an den alten überkommenen studentischen Traditionen fest, aber keiner nahm sie mehr ernst, faßte sie vielmehr als Mimik auf.

Dann kam der zweite Weltkrieg. Er wirkte sich sofort nachhaltig auf das Verbindungsleben aus, weil die Bonner kath. theol.  Fakultät vorübergehend ihre Tore schloß. Aber auch das zerstörte das Band der amicitia nicht.  So schreibt Th. Fluck:
In die Zeit vom Wintersemester 1937/38 bis Sommersemester 1939 fällt die Auflösung der Vereinigungen katholischer Theologen in den Bonner Konvikten. Ein Zeichen der Zeit, die durch das totalitäre Regime des Nationalsozialismus gekennzeichnet war. Was aber in jahrelanger Gemeinschaft in den Bonner Theologenverbindungen gewachsen war, konnte nicht so einfach ausgerottet worden.  Und so lebten die Theologenverbindungen in beiden Bonner "Kästen" weiter als "Religiöse Arbeitsgemeinschaften". Seit der G.V. in Köln im Sommer 1938 war V.k.Th.Rhenofrankonia als "Religiöse Arbeitsgemeinschaft St. Canisius" in beiden Konvikten tätig. Eifriger noch als vorher wurden religio, scienta, amicitia gepflegt.  Durch den Kriegsausbruch im September 1939 kam es zur Schließung der Bonner Katholischen Fakultät.
So setzten die damaligen 1.-6. Semester ihre Studien an der Erzbischhöflichen Akademie in Paderborn fort, während die beiden oberen Semester in Bonn blieben und hier im Kasten ihre Vorlesungen besuchten.  In diesem Trimester 1939 war zwar unsere Gemeinschaft örtlich getrennt, doch verband die Paderborner und Bonner ein reger Briefverkehr. Nach der Rückkehr der Paderborner aus dem Exil - im Januar 1940 öffnete in Bonn wieder die Universität ihre Pforten - wurden alle Theologen im Collegium Leoninum untergebracht, da schon viele von uns zu den Waffen gerufen worden waren.  Das Collegium Albertinum lag anfangs leer, später erhielt es Einquartierung.  Im ersten und zweiten Trimester 1940 mussten viele den Waffendienst antreten.  Immer kleiner wurde die Zahl der Theologen im Leoninum, aber auch die Zahl der Bbr.Bbr. in der Arbeitsgemeinschaft St. Canisius.  Diese Schwierigkeiten wurden noch größer in dem dritten Trimester 1940 und ersten Trimester 1941 durch eine neue Anordnung des Konviktsvorstandes, nach der alle Arbeitsgemeinschaften, die eben doch als verkappte Verbindungen erkannt worden waren, aufgelöst werden sollten. Aber unentwegt hielten die vier bis sechs restlichen Aufrechten der Arbeitsgemeinschaft die Aktivitas im Leonium am Leben. So wurde die Arbeitsgemeinschaft St. Canisius, d. h. die V.K.Th. Rhenofrankonia, hindurchgerettet in die späteren Semester. In der schwersten Übergangszeit aber hat in der Aktivitas immer lebendiger Rhenofrankonengeist gelebt.

Die Stürme des Krieges tobten, viele Rhenofrankonen mußten zum Waffendienst, aber sie hielten der Rhenofrankonia die Treue, und die Bbr. in der Heimat sorgten dafür, daß das Leben der Verbindung nicht abriß.  In diese schwere Krisenzeit öffnet uns der Bericht des K. Manlangré trotz seiner Schlichtheit einen tiefen Blick:
Um es gleich zu sagen: unsere Verbindung hat nicht nur die Kriegsjahre "überstanden", sie war auch die einzige Studentenverbindung, die immer auch bei kleinster Theologenzahl  aktive Mitglieder in Bonn besaß. Wenn auch einer nach dem anderen Abschied nehmen mußte, um den Weg zum "Dreikaisersaal", dem berüchtigten Bonner Gestellungslokal, anzutreten -  immer gab es in Bonn Bundesbrüder, denen es hohe Aufgabe war, die Verbindung mit den Bundesbrüdern im Felde aufrecht zu halten. Da wurden Briefe geschrieben, Päckchen versandt und Kleinschriften ins Feld geschickt. Die größte Freude war immer, wenn einer von ihnen im Urlaub das geliebte Bonn besuchte, und man ein paar Stunden zusammen sein konnte.  Dann ging es hinauf zu "Tante Klara" nach Ippendorf oder zur "Frommen Helene" nach Oberkassel. - Und der größte Schmerz war, wenn der Direktor des Konviktes Namen gefallener Theologen bekanntgab und unter ihnen ein Bundesbruder war.  Manchmal haben wir das Requiem gesungen und konnten fast nicht glauben, daß der frohe Bundesbruder nicht mehr heimkehren würde.  Die Aktivitas aber hielt sich trotz größter Schwierigkeiten im Hause und an der Universität.  Nicht zuletzt ist das jenen A.H.A.H. zu verdanken, die immer wieder hilfreich mit Rat und Tat bereit waren.  Viele Stunden haben wir zusammengesessen und über theologische Probleme, vor allem über liturgische Fragen gesprochen und darüber, wie einmal alles werden würde, wenn endlich der Krieg zu Ende wäre.  Dann wurde es immer schwerer, die Zahl der Aktiven immer kleiner.  Schließlich wurde das Leoninum zerstört, die Universität vernichtet, und die wenigen Theologen setzten ihr Studium in Eichstätt fort.  Der Krieg nahm ein Ende, und aus der "Arbeits-gemeinschaft St. Canisius" konnte wieder die Theologenverbindung "Rhenofrankonia" werden.  Wir verdanken es unserem Schutzpatron dem hl.  Petrus Canisius, und unseren Prinzipien religio, scienta, amicitia!

Wie gesagt, der Krieg zerstörte vieles, aber die Rhenofrankonia blieb, ja sie lebte neu auf, und eine mutige Aktivitas suchte neue Formen, davon gibt uns H. Jorissen ein beredtes Zeugnis:
Rhenofrankonia rediviva. In den Annalen Rhenofrankonias kommt der Zeitspanne unmittelbar vor bis nach dem zweiten Weltkrieg eine besondere Bedeutung zu als dem bisher tiefsten Einschnitt in das Leben unserer Vereinigung; aus einer Zeit größter Bedrohung ihres Weiterbestehens (teilweise sogar eines erzwungenen Stillstandes) führt der Weg zu wieder neuem Beginnen; davon wollen die folgenden Zeilen erzählen:
Unter dem Druck der Zeitverhältnisse sah sich die G.V. 1938 genötigt, Rhenofrankonia als Verbindung aufzulösen.  Zwar führte die Aktivitas in den folgenden Jahren, wenn auch in aller Stille, unter dem Decknamen "Religiöse Arbeitsgemeinschaft St. Canisius" allen Schwierigkeiten zum Trotz - nicht zuletzt seitens der Konviktsleitung ("Keilen" war streng verboten) - die Tradition weiter - während der Jahre 1941 bis Anfang des S.S. 1944 praktisch als einzige Verbindung - und versuchte so, wenigstens deren innere Kontinuität zu wahren; dennoch mußte infolge des äußeren Einschnittes auf die lange Dauer eine Lockerung auch im inneren Gefüge der Tradition eintreten, um so mehr, als der Krieg nach und nach die "Alten", die noch lebendig in ihr standen, aus der Aktivitas heraus und die immer kleiner werdende Zahl notwendig eine Stagnation des Verbindungslebens mit sich brachte. Schließlich zerriß der "totale Krieg" Ende des W.S. 1943/44 auch noch das letzte äußere Band.
Im Sommer 1945 kehrten die ersten zurück (Josef Verhoff v. Jodokus; Norbert Spicher v. Dax); im W.S. 1946/47 kamen zwei dazu (Alfred Schilling v. Illo und Hans Jorissen v. Fips).  Die ersten, wenn auch bescheidenen Bedingungen zu neuem Anfang waren damit gegeben.  Anfangen, aber, wie?  Es war keine leichte Aufgabe, zumal wir alle von der alten Tradition wenig mitbekommen hatten.  Zudem lag - ähnlich wie nach dem ersten Weltkrieg durch die aufkommende Jugendbewegung - eine nicht geringe Ablehnung aller früheren Formen studentischer Vereinigungen in der Luft, verstärkt noch durch eine - aus der Psychologie des Kriegsteilnehmers und Heimkehrers verständliche - reaktive Einstellung gegen äußere Bindungen und eine damit zusammenhängende Gemeinschaftsmüdigkeit. Auf den ersten BC's wurde lebhaft diskutiert.  Hat die Verbindung noch einen Sinn? Verträgt unsere Zeit noch die alten Formen?  So und ähnlich lauteten die Fragen, die uns beschäftigten.  Es galt, einen völlig neuen Zugang, zur Verbindung zu finden und sich über Ziel und Weg klar zu werden. Wenn wir nun als Ergebnis unserer Beratungen ein volles Ja zur Verbindung sagten, so geschah das keineswegs aus Gründen eines bloßen Traditionalismus, sondern einzig und allein aus der Einsicht in die Sinnhaftigkeit der Verbindung auch in unserer Zeit, aus der Einsicht in ihren personbildenden und gemeinschaftsformenden Wert.  Wir waren uns allerdings darüber im klaren, daß wir - wenigstens zunächst - die alten Formen nicht einfach übernehmen konnten.  Viele von ihnen sprachen uns kaum oder gar nicht mehr an.  Die Statuten hatten für uns die abschreckende Wirkung einer Zwangsjacke, die wir uns nicht anlegen wollten; zu einem streng nach Statuten geordneten Verbindungsleben konnten wir uns deshalb - aus Furcht vor Erstarrung und Verkrampfung nicht entschließen – Vor allem FM und FC, Burschungsexamen und dergleichen wurden im Anfang aufs schärfste bekämpft. Jeder äußere Zwang, auch nur der Anschein dazu, wo durch wir - infolge des nach dem Zwang der vergangenen Jahre aufgebrochenen Freiheitsdranges - uns nur selbst den Weg zu einem neuen Aufblühen der Verbindung verbaut hätten, sollte von vornherein vermieden werden. Andererseits waren wir jedoch der Überzeugung, daß es uns nicht zustehe, die überkommenen Traditionen und Satzungen einfach abzuschaffen; wir versetzten sie daher vorerst nur in den "Wartestand"; die kommende Entwicklung sollte darüber entscheiden. - Worauf es uns bei unserem neuen Beginnen vor allem ankam: in der Pflege der amicitia ein tragfähiges Fundament für eine gedeihliche Entwicklung zu legen und echtes freundschaftliches Zueinanderstehen das einzige Formprinzip sein zu lassen auch im Hinblick auf die äußere Gestalt des Verbindungslebens. Die kleine Schar, mit der wir begannen, legte diesen Modus besonders nahe. Wie recht wir hatten, zeigte der rasche Aufstieg, den unsere Verbindung schon bald nahm.  Es war nämlich auf diese Weise eine Atmosphäre geschaffen worden, die jeden, der neu in unseren Kreis eintrat, sich bald bei uns wohlfühlen ließ.
Die Entwicklung insgesamt kann gekennzeichnet werden als ein allmähliches Wachsen, das von der anfänglichen Ungebundenheit frisch aufbrechenden Lebens ganz von selbst auch zur Konsolidierung der äußeren Ordnung hinstrebte.  Hatten wir bei unseren ersten Überlegungen über das "Wie" des Neubeginns in einer sicherlich oft extremen Weise viele Formen des Verbindungslebens als unzeitgemäß verwerfen wollen, so zeigt doch die spätere Entwicklung, daß dieser freiheitliche Drang gegenüber der Haltung eines krampfhaften Festhaltenwollens insofern sein Gutes hatte, als er uns in der amicitia zunächst einen tragfähigen Grund legen und von da aus allmählich den Sinn einer gefügten Ordnung begreifen ließ. Waren wir so auf der einen Seite davor bewahrt, unsere Gemeinschaft in eine starre Form hineinzubauen, für die wir zunächst kein Verständnis aufbringen konnten, und waren wir deshalb gezwungen, sie von innen her als Freundschaftsbund zu festigen, so zeigte sich andererseits schon bald, je mehr wir an Zahl zunahmen, die Notwendigkeit eines festen Gefüges, und was anfangs überflüssig erschien, wurde uns wieder sinnvoll als schützende Hülle für eine auch über uns selbst hinausreichende Einheit und Kontinuität der Verbindung. FM und FC sind längst keine Probleme mehr (sie werden sogar, je mehr wieder junges Volk frisch von der Schulbank zu uns stößt, in ihrer positiven Bedeutung immer mehr erkannt werden müssen); selbst das Burschungsexamen wurde wieder eingeführt und auch die Pflege der scientia gewann - nach einigen guten Vor- und Ansätzen wieder - ihren alten Platz zurück.
So fanden wir im wesentlichen während der ersten drei Semester Schritt für Schritt wieder Zugang zur äußeren Gestalt der Verbindung (soweit sie sich unter den gegebenen Umständen verwirklichen ließ). Wir haben sie nicht ungeprüft übernommen; indem wir aber ihren inneren Gehalt gleichsam neu eroberten, wurde sie uns wieder sinnerfüllt. Als eines der wichtigsten Ergebnisse dieses Entwicklungsganges aus anfänglicher Formfreiheit zu allmählicher Festigung der äußeren Ordnung aber verdient besonders hervorgehoben zu werden die richtige Einschätzung des Verhältnisses zwischen äußerer Form und innerem Leben einer Gemeinschaft.  Wir konnten nun auf Grund des eben kurz skizzierten Werde-prozesses der äußeren Ordnung den ihr einzig zukommenden Platz zuweisen: Wir räumten ihr nie die erste Stelle ein, sondern achteten sie, in ihrer dienenden Funktion als notwendige Ordnungsform, belebt von der amicitia als der alles durchwaltenden Seele.
Über aller künftigen Entwicklung möge darum die Aufgabe stehen, in dem stets bleibenden  Spannungsverhältnis zwischen Leben und Form immer den rechten Ausgleich zu erstreben.  Nie kann ja die Form von sich aus Gemeinschaft begründen; wohl kann sie umgekehrt zu einer Gefahr werden infolge ihrer Tendenz, sich zu verfestigen und zu erstarren und so das Leben zu hemmen und seine Entfaltung zu hindern. Um dieser Gefahr zu entgehen, muß deshalb das von echter amicitia (im Sinne von innerer Verbundenheit in gemeinsamem Streben zum Ziel, in gegenseitiger Förderung und Hilfsbereitschaft) geformte Leben der Gemeinschaft immer erneut die Form lebendig erhalten; m. a. W.: Das Ordnungsverhältnis zwischen Leben und Form muß stets neu in den Blick genommen werden, um sich so die nötige Aufgeschlossenheit auch neuen Aufgaben und Anforderungen gegenüber zu bewahren; denn das heißt ja nicht Tradition pflegen, die überlieferten Formen nur deshalb festhalten zu wollen, weil sie einmal gültiger Ausdruck des Lebens waren; Tradition pflegen heißt vielmehr, aus deren inneren Gehalten und Formkräften heraus die jeweilige Situation zu gestalten im - Geiste der Tradition.