1900: Die Gründung der Rhenofrankonia, so wie sie in der Festschrift zum 25. Bestehen von G. Zentis, einem der Gründerväter, geschildert wurde. Auch hier spiegelt sich der Zeitgeist wider, aber es zeigt sich auch eine Grundeinstellung Rhenofrankonias, die sich nie geändert hat...
Erinnerungen aus dem Gründungsjahr

Zur Genesis Rhenofrankonias
G. Zentis

Eigne Wege waren wir immer gern gegangen, wir Abiturienten des Jahres 1899 vom alten Jesuitengymnasium im ringsum vermauerten Münstereifel, die sich die heilige Theologie als idealsten Lebensberuf erkoren hatten.. Eigne, oft sonderbare Ideen spukten in unsern Köpfen.  So glaubten wir, nach Absolvierung der "neun martervollen Jahre" mit dem Abiturienten-schlusskommers im Konvikt diesen Markstein unseres Lebens nicht hinreichend gefeiert zu haben und veranstalteten ohne Wissen "der hohen Behörde" noch einen zweiten Kommers im Fränkischen Hof zu Köln, der sich mit allerhand, kaum zu beschreibenden Zwischenfällen glänzend abwickelte und im Cafe Sülz einen tragikomischen Abschluss fand.

Die erste Erkenntnis, die uns auf der alma mater dämmerte, war die, dass sich von den vielen damals im Albertinum existierenden "Tischen", wie die Freundschaftsbünde sich nannten, keiner für uns eignete, und kurz entschlossen gründeten wir einen besonderen, nämlich „den schwarzen Tisch“, dem Rechmann v. Tankred mit selbstsicherem Instinkte vorstand.  Das erregte Aufsehen, man sprach davon, schüttelte die Köpfe, allein wo haben sich jemals in der Weltgeschichte grosse Ereignisse abgespielt, die nicht auf Unverständnis und hilfloses Erstaunen der Massen gestossen wären?  Wir allein fühlten uns sicher und blickten trotz aller Hemmungen hoffnungsfroh in die Zukunft.  "Der brave Mann ist sich des rechten Weges stets bewusst."

Nach der Ära Düsterwald zog Ostern 1900 die beweglichere Richtung Dr. Kaufmann ins Albertinum ein.  Man glaubte, dem Drange der jungen Theologen nach studentischer Lebensentfaltung mehr Rechnung tragen zu müssen, erlaubte schon mal einen Früh- und Dämmerschoppen, und vor allem ward das Aufleben der alten Theologenkränzchen gestattet.  Wie in frischem Frühlingsodem durchzog es unsere Männerbrust.  Das Blut der alten kühnen Rheinfranken erlebte eine neue Jugend, und wir gründeten Rhenofrankonia.  Orth v. Götz, der sich in den ersten akademischen Semestern zu Freiburg i.Br. als Mitglied der dortigen C.V.-Verbindung Rhenofrankonia  alle fachmännischen Kenntnisse eines Innungsstudenten angeeignet hatte und von uns wie ein Wundertier aus Hinterindien angestaunt wurde, ward als erster Senior gewählt.  Kühn wie die Karthager unter Hannibal traten wir als die ersten in die breite Öffentlichkeit und feierten in der jetzt vermaterialisierten Kaiserhalle, Ende der Poppelsdorfer Allee, unsern Eröffnungskommers.  Es war am 27.  Juni 1900.  Wenn ich jetzt noch an dieser denkwürdigen Stätte vorbeikomme, an der erstaunlicherweise noch immer keine Tafel in Marmelstein den kommenden Geschlechtern kündet, welch edler Spross hier das Licht der Welt erblickt hat, spüre ich noch den Hauch höchsten Enthusiasmusses, der damals unsere Glieder durchzogen.  Die theologische Professorenschaft wie den gesamten Vorstand des Albertinums hatten wir eingeladen, und sie kamen alle, die Herren, in der richtigen Ahnung, dass hier etwas Besonderes werde.  Vogt v. Olaf als Fuchsmajor hielt mit flammender Begeisterung die Papst- und Kaiserrede.... Ein besonders köstlicher Moment war es, als Zentis, der Ältere, v. Gockel, in der Prinzipienrede stecken blieb, sich in seiner Verlegenheit an den nicht gerade zwergmässig ausgestatteten Gesichtsvorsprung griff und richtig dort den roten Faden wieder hervorholte. Die Bierzeitung, die Olaf mit schäumenden Lippen vorlas, machte den Gästen - wir hatten die Vorstände sämtlicher Theologenvereinigungen eingeladen - viel Spass, den gestrengen Herren vom Vorstand indes etwas Verdruss von wegen einiger Lichtkegel, die wir - die Sonderbaren - auf einige Absonderlichkeiten im hohen Kasten hatten fallen lassen.  Als wir indessen, am andern Tage zitiert, neben der künstlichen Zornesfalte auf der Stirn des Chefs das seinen wahren Gemütszustand widerspiegelnde Schmunzeln um die feinen Mundwinkel festgestellt hatten, gingen wir getröstet von dannen.

Nach diesem denkwürdigen Geburtstagsfest schlugen wir unsere Kneipe bei Mohr in Kessenich auf.  Lebenslänglich werden uns wie lichte Elfen die Erinnerungen an die dort verlebten Stunden begleiten.  Kneipen, die wir, brav auf den Stühlen sitzend, begonnen, endeten bisweilen im Kulminationspunkt der Begeisterung damit, dass unsere Füsse zwar noch auf den Tischen zwischen jäh erschrockenen Seideln standen, indes sich unsere Arme in der Luft nach unbekannten Gütern streckten....

Was ist's nun, was uns trieb, ein eignes Haus zu bauen und dem Eintritt in andere Zelte zu widerstehen ? Es war ein eigner Idealismus, der in so sonderlicher Weise hohe Berufsauffassung mit echt fröhlicher studentischer Lebensart verband, dass wir glaubten, nirgendwo diese Verschmelzung zu finden. . . . Und dass dieser Idealismus aus dem Mutterboden echt-kirchlichen Sinnes erwachsen, geht daraus hervor, dass manche Edelstaude des Gartens Gottes auf Erden ihm entsprossen und kein Rheinfranke bis heute meines Wissens einen Flecken auf dem Königsmantel der Kirche verursacht hat.  Und so soll es bleiben !